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 Gespräche     
  Theater Bonn 28.03.2007 
Bild m/69 Jens Neundorff von Enzberg
© Theater Bonn
»Lucia ist für mich eine ganz reine aber auch sehr fragile Seele ...«
Sigrún Palmadóttir im Gespräch mit Jens Neundorff von Enzberg

Sigrun Pálmadóttir: Es scheint mir fast ein ungeschriebenes Gesetz, dass viele Sängerinnen und Sänger eher auf Umwegen oder zufällig ihren Traumberuf ergreifen. Woran liegt das und inwieweit trifft das auch auf dich zu?

Jens Neundorf von Enzberg: Es ist offenbar in der Tat ein ungeschriebenes Gesetz, denn bei mir war es nicht anders. Meiner Meinung nach, hat es sehr viel damit zu tun, dass viele von uns sehr gerne in ihrer Jugend gesungen haben, ganz gleich welche Musik, aber aus Sorge vor der Unsicherheit des Sängerberufs, diesen nicht ernsthaft in Erwägung gezogen haben. Bei mir war es so: Mein Papa spielte Gitarre, ich habe oft und gerne dazu gesungen und da der Winter in Island sehr lang und dunkel ist, saßen wir häufig im Wohnzimmer und haben Volkslieder und isländische Schlager gesungen. Die Oper allerdings war mir zu dieser Zeit eher unbekannt.

Und wie bist du letztendlich zum Operngesang gekommen?

Zuerst war ich im Chor meines Gymnasiums. Dort fiel ich der Leiterin auf, so dass sie mir empfahl Stunden zu nehmen, was ich dann auch ihr zuliebe getan habe. Aber nach zwei Stunden war Schluss. Mit 21 Jahren fing ich an zu jobben, merkte aber sehr schnell, dass mich dies nicht ausfüllte und habe eher aus Spaß wieder mit dem Singen und dem Unterricht angefangen, wollte jedoch daraus noch immer keinen Beruf machen. Die Unsicherheit war mir einfach zu groß. Doch nach einem Jahr siegte die Lust an der Kunst über den Verstand. Ursprünglich wollte ich Lehrerin werden.

Du hast im Jahr 2003 einmal in einem Interview gesagt, dass du eine große Bewunderin von Maria Callas bist. Nun war es gerade die Callas, die mit ihrer legendären Aufnahme von 1954 unter Herbert v. Karajan eine Donizetti-Renaissance einleitete und LUCIA DI LAMMERMOOR in ihrer ursprünglichen Fassung wieder bühnenfähig machte. Kennst du diese Aufnahme und in wieweit beeinflusste sie dich in deiner Arbeit?

Ich liebe die Callas immer noch für ihr unglaubliches musikalisches Gefühl und obwohl ich schon einige LUCIA DI LAMMERMOOR-Aufnahmen gehört habe, kenne ich diese von der Callas nicht. Ich habe aber ihre zweite Lucia-Aufnahme von 1955 gehört, ebenfalls von Karajan und diese hat mich stark beeindruckt.


Die Partie der Lucia ist für jede Sängerin eine außergewöhnliche Herausforderung. Du debütierst damit in Bonn. Wenn man deinen künstlerischen Werdegang in Bonn betrachtet, musste diese Partie fast zwangsläufig für dich kommen und THEATER BONN hat Donizettis Oper auch und vor allem deinetwegen auf den Spielplan gesetzt. Wann war für dich klar, dass du für diese Partie “reif” bist, dass du sie singen willst und kannst?

Es freut mich sehr, dass diese Oper jetzt auf dem Spielplan steht. Es ist schon längere Zeit mein Traum gewesen, sie singen zu dürfen. Vor ein paar Jahren hätte ich die Partie noch nicht bewältigen können. Die stimmliche und schauspielerische Reife kommt erst mit der Zeit und jetzt fühle ich mich den Anforderungen in jeder Hinsicht gewachsen. Es sind ja nicht nur die hohen und schnellen Koloraturen, man muss diese Frau auch als Person verkörpern können und dabei aufpassen, dass man in dem ganzen “Wahnsinn” nicht selbst wahnsinnig wird, sondern es gut spielt. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Lucia waren die Erfahrungen mit der Traviata aus der vergangenen Spielzeit.

Nun hat jede Partie ihre ganz speziellen Eigenheiten. Aber bekanntermaßen fordert die Lucia fast Außergewöhnliches von einer Sängerin. Vor allem mehr als nur das Singen hoher Koloraturen, denn ursprünglich hatte Donizetti die Partie für einen hohen Sopran geschrieben, der nur in wenigen Fällen über das zweigestrichene A hinaussteigen muss – in der Auftrittsarie bis zum dreigestrichenen Cis und in der Wahnsinnsarie bis zum C³. Aufführungspraktisch wurde die Partie selbst zur Uraufführung 1835 von der damaligen Protagonistin Fanny Tacchinardi-Persiani nicht in der Originaltonlage, sondern in vielen Teilen einen Ton tiefer gesungen. Wir orientieren uns natürlich am Original. Wie lange hast du dich auf die Partie vorbereitet und wodurch hat sich diese Zeit möglicherweise vom Studium anderer Rollen unterschieden?

Ich habe in der letzten Sommerpause begonnen, mir die Partie anzuschauen. Zu Anfang dieser Spielzeit habe ich eine Pause eingelegt, um andere Partien zu erarbeiten, wie ROSENKAVALIER, SAUL, IM WEISSEN RÖSSL. Ab Dezember habe ich weiter an der Partie der Lucia gearbeitet.Bei der Einstudierung habe ich mir die Weisheit der “Sutherland“ zu Herzen genommen und weniger gesungen als normalerweise, dafür mehr reine Kopfarbeit geleistet. Denn sie hat einmal gesagt, dass die Einstudierung einer Partie ca. 80% Kopfarbeit und 20% Singen wären!

Lucias Liebe zu Edgardo ist nur im Tod möglich, sie verabschiedet sich aus der Oper mit der so genannten “Wahnsinnsarie”. Was für eine Frau ist Lucia in deinen Augen, worin liegt ihr Tragik?

Lucia ist für mich eine ganz reine aber auch sehr fragile Seele, die so unter ihrem machtbesessenen Bruder leidet, dass er sie am Schluss in den Wahnsinn treibt.

Du wirst mit der Partie der Lucia einen Meilenstein deiner Karriere legen. Was kann und soll für dich danach kommen?

Ich würde beispielsweise sehr gern die Gilda im RIGOLETTO singen. Im Mozartfach liegt mein Herz sehr stark bei Konstanze (DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL) und in einigen Jahren werde ich vielleicht anfangen, mich mit der Norma anzufreunden, mal sehen!

  Sonstige Informationen

Quelle: Das Magazin 03/04/2007 | Theater Bonn | www.theater.bonn.de




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 Wien, Staatsoper
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