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  Lang Lang 
»Dragon Songs«


Lang Lang spielt Melodien Chinas

»Sie waren wie Märchen für mich«

Im Dezember 2005 kehrte Lang Lang für eine große Konzerttournee in seine Heimat zurück. Acht bedeutende Städte Chinas besuchte er, in den größten und modernsten Konzertsälen und Stadien seines Landes trat er auf. Es war eine triumphale Serie von Aufführungen – geprägt von der brillanten Technik und künstlerischen Sensibilität, die Lang Lang schlagartig international als einen der bemerkenswertesten Pianisten seiner Generation berühmt gemacht haben. In China – einem Land mit über 20 Millionen Klavierschülern – ist Lang Lang ein Superstar. Scharen lautstarker Fans begrüßen ihn auf den Flughäfen oder folgen ihm nach den Konzerten.
Die Heimkehr bot Lang Lang die perfekte Gelegenheit, einen lang gehegten Gedanken zu ver-wirklichen: Hörer in aller Welt wollte er auf eine Reise durch »sein« China mitnehmen. Dragon Songs ist ein bahnbrechender Versuch. Für den ersten Teil des Projekts filmte ein Kamerateam Lang Lang auf seiner Tournee und begleitete ihn, wenn er Menschen und Orte besuchte, die ihm am Herzen liegen. Die entstandene DVD-Dokumentation zeigt uns das heutige Reich der Mitte aus der Sicht eines seiner größten internationalen Stars.
Für den zweiten Teil, die CD Dragon Songs, kehrte Lang Lang an den Ort seiner frühen Studien zurück, die Zentrale Musikschule in Peking. Mit einem Musikerteam aus Landsleuten nahm er ein Album chinesischer Musik auf – eine Hom¬mage an das reiche musikalische Erbe seiner Heimat und zugleich für westliche Musikliebhaber ein Brückenschlag zu dieser Tradition.
Lang Lang erklärt, warum er den Reichtum und die Vielfalt chinesischer Musik einem größeren Publikum nahe bringen will, nachdem er sich als Solist klassischer Musik bereits einen Namen gemacht hat:

»Ich wuchs in einer Musikerfamilie auf – mein Vater spielt erhu (eine zweisaitige Geige), mein Großvater die chinesische Flöte und eine pipa genannte chinesische Laute. Wenn meine Verwandten zusammenkamen, gaben wir immer Familienkonzerte, bei denen ich Klavier spielte – ich habe mich auch an der chinesischen Geige versucht, aber ich war ein hoffnungsloser Fall! Als Kind habe ich oft die Traditionen vermischt, und das versuche ich auch auf diesem Album. Ich hoffe, dass es meinen Zuhörern einen Weg zur chinesischen Kultur und Musik weisen wird. Diese Melodien sind in ganz China zu hören, ich kannte sie schon als Baby. Meine Mutter sang sie, mein Vater spielte sie. Sie waren wie Märchen für mich.«

Lang Lang spielt Klavier-Arrangements chinesischer Lieder, hinzu kommen traditionelle Instrumente wie pipa (eine Laute), guanzi (eine Doppelrohrblatt-Flöte) und guzheng (eine Zither). »Ich nutze gern den vertrauten Klang des Klaviers, um diese Stücke international vorzustellen. Der Klang chinesischer Musik kann für europäische Ohren zunächst etwas befremdend wirken, aber wenn neben pipa oder guanzi auch ein Klavier zu hören ist, wird es einfacher.«

Lang Lang hat erstklassige Musiker von der Zentralen Musikhochschule in Peking zusammengebracht, an der er einst als Neunjähriger sein fünf Jahre dauerndes Studium begann. »Einige Aufnahmen fanden im Hörsaal statt. Das machte mich ganz nervös, weil ich dort alle meine Klavierprüfungen hatte. Bevor wir anfingen, schärfte ich mir ein: ›Keine falschen Töne!‹« Tatsächlich gab es keine Fehler. Lang Lang wurde sogar unlängst zum Professor an seiner alten Hochschule ernannt. Während er in Peking war, spielte er als erster Solopianist in der Großen Halle des Volkes – in der Verbotenen Stadt – vor 8000 Zuhörern.

Die bedeutendste Komposition des Albums ist das Yellow River Piano Concerto auf der Grundlage einer packenden Chorkantate, die Xian Xinghai 1939 während der japanischen Besatzungszeit geschrieben hat. Lang Lang erklärt, dass ihn dieses Stück immer wieder bewege:
»China hat während der letzten 150 Jahre einen wahren Albtraum durchgemacht. Im Vergleich mit der Vergangenheit, als China ein mächtiges Land war, besaßen wir nur noch geringes künstlerisches Ansehen in der Welt. Doch dieses Werk half uns, Energie und Selbstvertrauen wieder zu finden. Es war wie ein Weckruf aus diesem Albtraum und erinnerte uns daran, dass wir wie-der Großes leisten würden. Für mich hat es eine besondere Bedeutung. Es berührt mich sehr, wenn ich es spiele, denn es gehört zu meiner Kultur. Ich bin wirklich stolz auf dieses Erbe.«

Stilistisch sieht er das Werk »irgendwo zwischen dem Ersten Klavierkonzert von Tschaikowsky und dem Zweiten von Rachmaninow . . . mit Anklängen an Gershwin im vierten Satz!«

Lang Lang spielt gern traditionelle chinesische Musik als Zugaben bei seinen Konzerten. Die Reaktion der Zuhörer in der ganzen Welt ist überwältigend. »Sie lieben diese Stücke und haben eine innere Beziehung zu ihnen.« Die Titel dieser Dragon Songs – Herbstmond über dem See, Bei Nacht auf dem See unter der Ahornbrücke – beschwören die Welt der alten chinesischen Kunst. Das erste Stück hat Lang Lang zufolge französischen Charakter, aber eine chinesische Melodie. »Ich stelle mir einen wunderschönen, romantischen See in China vor. Die Musik ist von warmer, harmonischer Leuchtkraft, die an ein sanft auf dem Wasser treibendes Blatt denken lässt. Das damit verbundene Gefühl ist wie eine Meditation oder t’ai chi: emotional, aber indirekt.«

Lang Lang erklärt, dass ihn die Titel zum Nachdenken über die Musik anregen. »Ich folge nicht unbedingt der Geschichte, manchmal erfinde ich meine eigene. Chinesische Musik bietet viel Raum, sich selbst etwas vorzustellen. Und sie ist sehr flexibel – man kann viel Rubato verwenden, mit mehr Freiheit als in der westlichen Musik.«

Er beschließt das Album mit dem ausdrucksvollsten Stück: Bei Nacht auf dem See unter der Ahornbrücke. »Es handelt von einem Mann, der die Nacht in einem Boot verbringt. Er trinkt und denkt über sein trauriges Leben nach. Wenn man es spielt, spürt man in der Musik seine Einsamkeit. Manchmal ist mein Leben als reisender Solist ziemlich einsam, ich kenne also dieses Gefühl. Wenn man die Augen schließt, fühlt man den leichten Wind über dem Wasser, die Lichter des kleinen Boots, die kalte, kalte Nacht und den Schmerz im eigenen Herzen. Dies ist ein perfektes Beispiel traditioneller chinesischer Musik. Es enthält eine innere, emotionale Welt und hat ein großartiges Gespür für Raum und Atmosphäre. Es zeigt, wie eng Dichtung und Musik verbunden sind.«

Lang Lang ist bereits als UNICEF-Botschafter für die Kinder in aller Welt tätig. Sieht er sich auch als Botschafter der chinesischen Musik? »Diesen Titel würde ich mir nicht anmaßen. Aber ich habe das Glück einer erfolgreichen Karriere und damit die Möglichkeit, diese Werke in der Welt bekannt zu machen.« Der kulturelle Austausch ist keine Einbahnstraße: Lang Lang hat den chinesischen Zuhörern schon viele Meisterwerke der klassischen Musik aus dem Westen vorgestellt. »Mir gefällt die Vorstellung, Verbindungen zwischen der chinesischen Kultur und der übrigen Welt zu knüpfen«, erklärt er. »Für dieses Album habe ich einige wundervolle Beispiele traditioneller chinesischer Musik ausgewählt. Es gibt natürlich noch viel mehr, aber ein Anfang ist gemacht!«
Amanda Holloway
7/2006


Deutsche Grammophon
DG 002894776229

Weitere Informationen: www.klassikakzente.de.




Bild
 Rom, Sala Santa Cecilia
© Moreno Maggi



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