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 CD     
  Boyde, Andreas 
Johannes Brahms | The Complete Works fĂĽr Solo Piano | Vol. 1

Andreas Boyde, Klavier


Johannes Brahms (1833-1897)
Sonata No. 1 in C, Op. 1
1 Allegro
2 Andante
3 Scherzo. Allegro molto e con fuoco
4 Finale. Allegro con fuoco

Sonata No. 2 in F-sharp minor, Op. 2
6 Allegro non troppo, ma energico
7 Andante con moto
8 Scherzo. Allegro
9 Finale
10 Scherzo, Op. 4

total 68 : 57



Andreas Boyde, deutscher Pianist mit Wohnsitz London, ist ein international gefragter Solist. Er studierte in Dresden bei Christa Holzweißig und Amadeus Webersinke sowie in London bei James Gibb. Entscheidend beeinflusste ihn sein Mentor und Förderer Malcolm Frager. Neben den großen Standardwerken für Klavier aller Epochen widmet sich Boyde auch der zeitgenössischen Klaviermusik. Einen Schwerpunkt seines breit gefächerten Repertoires bildet das Klavierwerk von Johannes Brahms. Bei OehmsClassics beginnt er nun die Gesamteinspielung dieses Werkzyklus’. Den Anfang machen mit den Klaviersonaten Nr. 1 und 2 die beiden frühesten mit Werknummern versehenen Stücke des jungen Brahms. Das Scherzo op. 4 war sogar schon vor diesen beiden Sonaten entstanden.

Aus „wunderbaren Regionen“:
Johannes Brahms’ erste veröffentlichte Klavierwerke


Wann würde dem 1833 geborenen jungen Hamburger Johannes Brahms der Schritt an die breite musikalische Öffentlichkeit gelingen? Im Klavierspiel war er erst von Otto Cossell, dann von dessen Lehrer Eduard Marxsen unterrichtet worden, der einst in Wien bei Lehrern aus dem Umkreis Mozarts und Schuberts studiert hatte und in Hamburg als musikalische Autorität galt. Schon dem Vierzehnjährigen prophezeite Marxsen nach Mendelssohns Tod: „Ein Meister der Kunst ist heimgegangen, ein größerer erblüht in Brahms.“ Folgenreicher war sechs Jahre später eine Prophezeiung, die Brahms starkes Interesse, aber auch viel Skepsis und Neid eintragen sollte. Im Herbst 1853 hatte er sich bei Robert und Clara Schumann in Düsseldorf vorgestellt und sie mit seiner Musik wie mit seinem Spiel begeistert. Sofort setzte sich Schumann intensiv für ihn ein: Ende Oktober 1853 veröffentlichte er in der Neuen Zeitschrift für Musik den legendären Artikel Neue Bahnen, in dem er Brahms als Künstler pries, der „den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen“ sei: „Am Klavier sitzend, fing er an, wunderbare Regionen zu enthüllen. Wir wurden in immer zauberischere Kreise hineingezogen.“ Auch die auf dieser CD vereinten Klavierwerke wurden erwähnt, nämlich „Sonaten, mehr verschleierte Symphonien“ (1. und 2. Klaviersonate) sowie „einzelne Klavierstücke, teilweise dämonischer Natur, von der anmutigsten Form“, womit nur das Scherzo es-Moll op. 4 gemeint gewesen kann. (Hier wie bei einigen anderen Werknennungen verwendete Schumann einen ‚poetischen Plural’).

Schumann tat noch mehr und empfahl Brahms’ Kompositionen an führende Leipziger Verlage. Bei der Entscheidung, welche Werke er den Verlegern in welcher Reihenfolge anbieten sollte, fragte der selbstkritische Brahms auch Freunde um Rat. Schließlich wählte er als Opus 1 und 2 die Klaviersonaten in C-Dur und fis-Moll, als Opus 3 Lieder und als Opus 4 das Scherzo. Entstehungszeit und Opuszählung klaffen freilich auseinander. So schrieb Brahms die C-Dur-Sonate zwischen April 1852 (2. Satz) und Frühjahr 1853 (1., 3., 4. Satz); dazwischen entstand im November 1852 die fis-Moll-Sonate, während das Scherzo op. 4 schon von 1851 datiert. Die 3. Sonate f-Moll op. 5 war damals noch nicht beendet. Andere Jugendwerke wurden spätestens jetzt aussortiert. So hieß die C-Dur-Sonate op. 1 im Autograph noch Vierte Sonate – zwei oder drei Vorgängerinnen wurden also vernichtet.

Wie nah der junge Brahms in manchem dem kĂĽnstlerischen Denken Schumanns stand, zeigt sich darin, dass C-Dur- und fis-Moll-Sonate im Autograph mit Joh. Kreisler jun.[ior] bzw. Kreisler jun. unterzeichnet sind. E.T.A. Hoffmanns tragisch-skurrile Gestalt des Kapellmeisters Johannes (!) Kreisler hatte 1838 ja schon Schumanns Kreisleriana inspiriert.

Formgefühl und Fantastik sind Eckpunkte der drei Klaviersonaten. Ihr orchestraler, oft gleichsam ‚dreihändiger’ Klaviersatz ist farbkräftig oder lapidar-herb, kennt aber auch intime Schattierungen. Auf den ersten Blick bilden die ersten beiden Sonaten Gegensätze: Erscheint die C-Dur-Sonate bei aller Vitalität klassisch gebändigt, so wirkt die fis-Moll-Sonate fantastisch-schweifend. Und doch bilden beide die zwei Seiten einer Sonaten-Medaille. Am deutlichsten wird das in den Mittelsätzen. Beide Andantes bestehen aus Variationen über Liedmelodien: In der C-Dur-Sonate ist es das altdeutsche Minnelied Verstohlen geht der Mond auf, dessen Text (1. Strophe) Brahms sogar in die Druckausgabe aufnahm. Das Variationsthema der fis-Moll-Sonate soll durch das altdeutsche Lied Mir ist leide inspiriert worden sein. Geistvoll sind Andante und Scherzo jeweils verknüpft: In der C-Dur-Sonate kündigt der klangzauberische Epilog zu den drei Variationen das Scherzo-Thema an. In der fis-Moll-Sonate wirken die Eckteile des Scherzos wie die Variationen 4 und 5 des Andante-Themas.

Gern wird auf Ähnlichkeiten zwischen dem Hauptthema der C-Dur-Sonate und Beethovens „Hammerklaviersonate“ hingewiesen. Sollte das ein Zitat sein und signalisieren, dass Brahms an klassische Sonaten-Traditionen anknüpfte? Wie dem auch sei – schon das aus zwei verschiedenen lyrischen Gedanken bestehende volksliedhafte Seitenthema in a-Moll ist rein Brahms’sches Gedankengut. Es schlägt Brücken zum Andante-Thema und zum zweiten Couplet des rondoähnlichen Finales: Dessen markantes a-Moll-Thema soll von Robert Burns’ Gedicht Mein Herz ist im Hochland angeregt worden sein und verweist mit seiner Fortsetzung zurück aufs Seitenthema des 1. Satzes. Bezeichnend für den jungen Brahms ist auch, dass die Durchführung des 1. Satzes zum einen „klassisch“ mit Motiven und Themen arbeitet, zum anderen traumverloren mit Klängen spielt.

Dagegen wirkt der Kopfsatz der Clara Schumann zugeeigneten fis-Moll-Sonate trotz aller Fantastik teilweise konventioneller. Doch das erhöht nur die Form- und Ausdrucksspannung. Noch größere Spannung prägt das Finale, das trotz seiner Sonatenform-Umrisse und trotz aller motivischen Konzentration wie eine Fantasie beginnt und endet.

Auch das Scherzo op. 4 hatte Brahms im Gepäck, als er im April 1853 seine erste große Reise als Begleiter des ungarischen Geigers Eduard Reményi antrat. Jene Reise brachte ihm nicht nur die Freundschaft mit dem 1831 geborenen Geiger Joseph Joachim (dem er später die C-Dur-Sonate widmete) und dem Ehepaar Schumann, sondern auch eine erste Begegnung mit Franz Liszt. Dieser bat seinen jungen Besucher, ihm und einigen Zuhörern das Scherzo vorzuspielen. Doch Brahms soll – wie Liszts Schüler William Mason berichtete – so befangen gewesen sein, dass Liszt das Stück selbst aus dem kaum entzifferbaren Manuskript habe vortragen müssen. Liszts Assistent Joachim Raff soll darauf verwiesen haben, dass Brahms’ es-Moll-Scherzo teilweise Chopins b-Moll-Scherzo op. 31 ähnele, woraufhin Brahms geantwortet habe, er kenne Chopins Musik gar nicht. Brahms-Biographen haben sich später gewundert, dass so viel Aufhebens um eine eher geringfügige Themenähnlichkeit gemacht wurde. Und da es seit 1986 ein Faksimile von Brahms’ ziemlich sauberer Niederschrift des Scherzos gibt, könnte man geneigt sein, Masons Bericht als Legende abtun. Doch die Brahms-Forschung weiß es heute besser. Brahms muss das Scherzo tatsächlich nochmals ins Reine geschrieben haben, ehe er es zum Druck gab, und entschärfte in letzter Sekunde – nämlich beim Korrekturlesen – auch noch die Chopin-Ähnlichkeit durch Notenänderungen in den Anfangstakten.

Spekulationen, das Scherzo habe womöglich zu einer der verworfenen Sonaten gehört, entbehren jeder Grundlage. Mit seinen zwei ausdehnten Trios wäre das Stück für ein Sonaten- Scherzo auch zu umfangreich und gewichtig gewesen. Leidenschaftliche, mitunter fast skurrile Virtuosität und drängende Rhythmen prägen den Hauptteil. Dass dessen melodischer Hauptgedanke der Ouvertüre zu Heinrich Marschners Oper Hans Heiling ähnelt, wird nebensächlich angesichts des düsteren Schwunges und der unablässig treibenden Staccato-Begleitung der Scherzo-Thematik. Trotz aller Kontraste haben die Trios Gemeinsamkeiten: ausgeprägte Durchführungsphasen sowie das Spiel mit Kanontechnik und dominantischen Klangflächen. Genial verknüpft das zweite Trio bei der Rückleitung die eigene Thematik mit der Scherzo-Motivik. So ist das Scherzo zweifellos ein frühes Meisterwerk.

Michael Struck,
Johannes Brahms Gesamtausgabe,
Forschungsstelle Kiel



OEHMS Classics
Kat.-Nr. OC 584
Format: CD
Anzahl: 1

Weitere Informationen: www.oehmsclassics.de.




Bild
 Liberec (Reichenberg), F. X. Ĺ alda Theater (Hist.)
© F. X. Ĺ alda Theater



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